Gehaltspoker in der Krise: Wie viel ist wirklich drin?
Aktuell suchen Unternehmen aus nahezu allen Branchen und Größen händeringend nach Mitarbeitenden. Doch bedeutet das automatisch, dass man jetzt überdurchschnittlich hohe Gehälter verlangen sollte? Nicht unbedingt. Gehalt ist zweifellos ein entscheidender Faktor, aber es ist selten das alleinige Mittel, um Fachkräfte langfristig zu binden. Unternehmen müssen zunehmend flexibel agieren und vielfältige Angebote schaffen, die über finanzielle Anreize hinausgehen.
Was umfasst ein attraktives Angebot?
Flexibles Arbeiten, wie etwa die Möglichkeit, von zu Hause aus zu arbeiten, ist heute ein großes Thema. Zwar klingt das selbstverständlich, doch längst nicht jeder Arbeitgeber bietet es an. Ein Gleichgewicht zwischen Beruf und Privatleben ist für viele wichtiger geworden als ein maximales Gehalt. So wägen Menschen heute eher ab: Ein etwas niedrigeres Gehalt, dafür mehr Flexibilität – das kann für viele attraktiver sein.
Bleiben Mitarbeitende jetzt kürzer bei ihren Arbeitgebern?
Von einem generellen „Wechselfieber“ kann keine Rede sein. In Deutschland bleiben Arbeitnehmende durchschnittlich ein Jahrzehnt beim gleichen Unternehmen, während es in anderen Ländern, wie etwa den USA, nur wenige Jahre sind. Allerdings hat das häufigere Wechseln auch Vorteile: Es bringt neue Erfahrungen, fördert die persönliche Entwicklung und sorgt für frische Impulse bei den Unternehmen. Klassische Karrieren mit wenigen Arbeitgeberwechseln werden zunehmend zur Ausnahme.
Wie wirkt sich der Fachkräftemangel auf den Arbeitsmarkt aus?
Die demografische Entwicklung verschärft den Mangel an Arbeitskräften. Viele Unternehmen suchen trotz wirtschaftlicher Unsicherheiten weiter intensiv nach Personal, da der Arbeitsmarkt sich teilweise von konjunkturellen Schwankungen entkoppelt hat. Besonders in Bereichen wie Handwerk, Pflege und Verkehr gibt es akute Engpässe. Das führt dazu, dass sich die Rollen verändert haben: Unternehmen müssen sich heute oft bei Bewerbenden bewerben, nicht umgekehrt.
Welche Maßnahmen könnten den Arbeitsmarkt entlasten?
Es gibt mehrere Ansätze, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken: Frauen sollten mehr Karrierechancen erhalten, um ihre Erwerbsquote zu steigern. Auch ältere Mitarbeitende können über das Rentenalter hinaus mit attraktiven Arbeitszeitmodellen eingebunden werden. Ein großes Potenzial liegt in Arbeitskräften mit mangelnden Deutschkenntnissen, die schneller in den Arbeitsmarkt integriert werden müssen. Zudem könnte eine flexiblere Aufgabenverteilung, etwa im Handwerk, dazu beitragen, dass auch Quereinsteigende eine Chance erhalten.
Was erwarten Bewerbende?
Je nach Branche sind die Ansprüche unterschiedlich. Im Handwerk etwa setzen Betriebe zunehmend auf Zusatzleistungen wie Tankgutscheine oder Team-Events, um attraktiv zu bleiben. Gleichzeitig muss die Arbeitswelt offener werden – beispielsweise durch eine diversere Einstellungspolitik oder eine Aufteilung von Tätigkeiten, sodass auch Fachkräfte ohne klassische Ausbildung integriert werden können.
Wie sieht es mit der nächsten Generation aus?
Entgegen häufiger Vorurteile sind jüngere Generationen keineswegs weniger leistungsbereit als ältere. Viele legen jedoch mehr Wert auf eine ausgewogene Lebensweise und lehnen es ab, sich für ihre Karriere komplett aufzureiben. Das ist auch ihr gutes Recht, gerade weil der Arbeitsmarkt ihnen solche Optionen bietet. Die Anforderungen an junge Menschen sind heute komplexer, was ihre Leistung und Anpassungsfähigkeit herausfordert.
Welche Fachkräfte werden besonders gesucht?
Es gibt Engpässe in nahezu allen Bereichen: von Elektrikern über Pflegekräfte bis hin zu Lokführern. Während IT-Fachleute weiterhin gefragt bleiben, verschiebt sich der Fokus bei Ingenieursberufen – traditionelle Bereiche wie der Getriebebau verlieren an Bedeutung, während neue Möglichkeiten in der Elektrotechnik oder Batteriefertigung entstehen. Auch der Bereich Künstliche Intelligenz wächst, jedoch ist der Bedarf hier im Vergleich zu den genannten Engpässen noch geringer.
Wie sollte man sich bei Gehaltsverhandlungen verhalten?
Gehälter sind in den letzten Jahren spürbar gestiegen, und der Trend setzt sich fort. Dennoch sollten Bewerbende mit einem realistischen Gespür an Verhandlungen herangehen. Es schadet nicht, optimistisch zu sein, aber überzogene Forderungen können abschreckend wirken. Klare Vorstellungen und ein angemessener Rahmen sind hier der Schlüssel.