Wie steuere ich meinen Chef?

von Bernd Schuster

… am besten so, dass er es nicht merkt.

„Managing your boss“, heißt das im Englischen, „Cheffing“ oder „Führen nach oben“ nennt man es hierzulande – gemeint ist stets dasselbe: agieren, statt reagieren. Sich nicht nur vom eigenen Vorgesetzten lenken zu lassen, sondern ihn selbst zu lenken.

In Unternehmen sind Hierarchien durchaus sinnvoll. Sie helfen Strategien umzusetzen und Entscheidungen zu treffen. Doch der Mensch strebt vor allem nach sozialer Eingebundenheit, Autonomie und Kompetenz. Dies steht aber oft im Widerspruch zur hierarchisch bedingten Realität.

Machtkämpfe
Wenn die Mitarbeiter ihren Chef als unfähig empfinden, erschwert das die Situation. Ein Gefühl, das viele Deutsche nachvollziehen können. Einer von drei Arbeitnehmern hält seinen Vorgesetzten zumindest in einigen Punkten für inkompetent, ergab im Jahr 2011 eine Umfrage von „Monster“. Wer so denkt und fühlt, lässt seine vermeintliche oder tatsächliche Überlegenheit irgendwann raushängen und sucht kleine Machtkämpfe oder rebelliert gar offen.

Aber schlechte Chefs treiben Angestellte überall ins geistige Exil. Und sie erhöhen die Fluktuationsrate. Untersuchungen zufolge haben 47 Prozent der deutschen Arbeitnehmer schon einmal wegen eines Vorgesetzten gekündigt.

Doch es geht auch anders. Um das gleich deutlich zu sagen: Es geht nicht um Konfrontation oder Manipulation. Niemand soll Hierarchien aushebeln, Kompetenzen überschreiten, tricksen und täuschen. Aber statt weiter unter dem Vorgesetzten zu leiden, kann man ihn sich gewissermaßen gefügig machen - nicht mit dem Säbel, sondern mit dem Florett.

Jeder Angestellte sollte sich auf seinen Vorgesetzten einstellen. Seine Launen, Eigenarten und Vorlieben analysieren, um hinterher davon zu profitieren. Elegant, unauffällig, wirkungsvoll.

Wie Sie die Lage Ihres Chefs nutzen
Viele Arbeitnehmer vernachlässigen, in welcher Situation der eigene Vorgesetzte gerade steckt. Bevor Sie sich für Ihr Anliegen seine Zustimmung einholen, sollten Sie wissen: Steht Ihr Vorgesetzter womöglich gerade unter Druck? Kämpft er um seinen Job? Oder ist er wegen eines guten Ergebnisses gar in Spendierlaune?

Das bedeutet aber nicht nur, sich besser auf das nächste Gespräch oder das kommende Meeting einstellen zu können. Man kann sich darüber hinaus auch nützlich zeigen und gegebenenfalls seine Unterstützung anbieten. Halten Sie das Gespräch mit offenen Fragen lebendig, und geben Sie Ihrem Vorgesetzten die Gelegenheit, ausführlich von sich selbst zu erzählen.

Wer sich einfühlsam zeigt, erreicht zwei Ziele auf einmal. Die meisten Menschen empfinden jene Konversationen als angenehm, in deren Verlauf sie selbst am meisten reden. Das gilt auch für die meisten Chefs. Und wenn Ihr Boss sich verstanden fühlt, stimmt er Ihrem Vorschlag viel eher zu.

Meiden Sie Killerphrasen
Das haben wir schon immer so gemacht! Das haben wir noch nie so gemacht! Das hat noch nie funktioniert! Diese Killerphrasen gehören zur Standardreaktion vieler Angestellter, wenn der Chef von einer Idee überzeugt ist, die den Ansichten der Belegschaft zuwiderläuft.

Umso eher neigen die Angestellten dazu, die Vorschläge des Vorgesetzten mit entsprechenden Phrasen zu kontern. Doch damit provozieren Sie den Widerstand Ihres Chefs, der die Idee angesichts Ihres Protests erst recht umsetzen will. Verzichten Sie also besser auf solche Phrasen. Wenn Sie einen Vorschlag Ihres Chefs für inhaltlich falsch halten und ihm diesen ausreden wollen, bleiben Sie ruhig, geben ihm erst ein Stück weit nach. Und versuchen dann erneut, mit Ihren Sachargumenten zu punkten.

Bekämpfen Sie Totschlagargumente
Ein kategorisches Nein sollten Sie also unbedingt meiden. Doch selbst wenn Sie sich an diesen Rat halten – es lässt sich leider nicht ausschließen, dass Ihr Chef Sie selbst mit einer solchen Haltung konfrontiert. Motto: Das haben wir noch nie gemacht! Das kann überhaupt nicht funktionieren! Das hat doch keinen Sinn!

Ihnen bleiben drei Möglichkeiten, darauf zu reagieren: Entweder Sie fügen sich und denken sich Ihren Teil. Die zweite Option: Schlagen Sie mit den gleichen Waffen zurück. Motto: Das funktioniert immer! Ist genauso übertrieben, setzt die vermeintliche Alternativlosigkeit aber erst mal außer Kraft. Eleganter und effektiver ist die dritte Option: das Hinterfragen: Was macht Sie da so sicher? Warum behaupten Sie das? Wie kommen Sie darauf?

So zähmen Sie Choleriker
Wie aber geht man mit cholerischen und tyrannischen Chefs um? Gut fährt, wer solche Charaktere früh erkennt, sich rechtzeitig auf sie einstellt und sich von der schlechten Laune nicht anstecken lässt.

Im Zweifelsfall nicken Sie lieber einmal zu viel und nehmen dabei die Launen Ihres Vorgesetzten nicht persönlich. Das ist besser als statt selbst in Rage zu geraten. Experten raten außerdem zum „Reframing“, einer Art mentaler Neubewertung einer verfahrenen Situation. Soll heißen: Betrachten Sie Ihre Lage aus der Vogelperspektive. Vielleicht hat der zeternde Chef gerade selbst einen schlechten Stand bei seinem Vorgesetzten? Womöglich sind die Zahlen mies, die er in Kürze präsentieren muss?

So sagen Sie Ihre Meinung
Zwar brüsten sich viele Vorgesetzte damit, aufrichtiges Feedback zu honorieren. In Wahrheit aber reagieren viele auf negative Kritik allergisch. Vor allem Menschen mit hohem Selbstbewusstsein und einer gehörigen Prise Narzissmus neigen dazu, Kritik persönlich zu nehmen.

Falls Ihr Chef dazu neigt, schon bei dezenter Kritik auf die emotionale Palme zu steigen, garnieren Sie das Gespräch mit Ich-Botschaften. Unbedingt vermeiden: Wörter wie „immer“ oder „nie“. Im zweiten Schritt können Sie Ihre Gefühle ausdrücken. Wichtig: Verwenden Sie nur Wörter, die den Adressaten nicht ent- oder bewerten. Gut: Adjektive wie „enttäuscht“, „frustriert“, „irritiert“. Schlecht: „missverstanden“, „unterdrückt“, „getäuscht“.

Im dritten Schritt sollten Sie Ihre Bedürfnisse ausdrücken und im letzten Schritt formulieren Sie eine Bitte. Etwa: dass Ihr Chef Ihnen sagen soll, wenn ihn etwas stört. Das garantiert zwar nicht, dass er der Bitte nachkommt aber zumindest vermeiden Sie so, dass die Situation weiter eskaliert.

Wie Ihr Chef gut aussieht
Stellen Sie sich vor, Sie sitzen mit Kollegen und Ihrem Chef in einem Meeting und diskutieren kontrovers über ein neues Projekt. Selbst wenn Sie sich mit den meisten Anwesenden einig sind: Bringen Sie Ihren Chef vor versammelter Mannschaft niemals in die Lage, sich verteidigen zu müssen. Andernfalls stellen Sie seine Autorität infrage.

Selbst wenn Sie Recht haben, muss er Ihren Angriff zwangsläufig kontern. Sonst verliert er sein Gesicht. Statt ihn anzugreifen, bitten Sie ihn lieber, zu erläutern, wie er auf seine Ideen kam. Reagiert er auch auf diese sanfte Kritik reserviert oder beleidigt, klären Sie die Angelegenheit lieber hinterher in einem persönlichen Gespräch.

Wie Sie Erwartungen übertreffen
Führungskräfte wollen, dass Sie Ihren Job gut machen. Bestenfalls erhalten Sie Anerkennung, schlimmstenfalls bedeutet schon die Abwesenheit von Kritik die maximal erreichbare Form des Lobs.

Aber wie wäre es, wenn Sie die Erwartungen gelegentlich übertreffen? Wenn Sie die Präsentation für den kommenden Montag schon am Freitag abgeben? Dadurch überraschen Sie Ihren Chef positiv und signalisieren: Ich habe meinen Job im Griff.

How to say nicely "No"
Sicher, einerseits ist Hilfsbereitschaft gut. Wer wagt es schon, seinem Chef einen Wunsch auszuschlagen?

Andererseits gilt aber auch: Wer niemals Nein sagen kann, schadet damit langfristig seinem Ansehen beim Boss. Schnell hat er das Image des Ja-Sagers, der widerstandslos alle Arbeiten erledigt, die sonst keiner machen will. Zum anderen riskiert er Stress und Selbstausbeutung. Wissenschaftler warnen immer wieder: Chronische Ja-Sager sind besonders gefährdet, bis zur völligen Erschöpfung zu schuften.

Der Vorgesetzte weiß zwar, dass er sie nicht endlos ausbeuten kann – das hält manche aber nicht davon ab, es dennoch zu versuchen. Und gerade wenn Ihr Chef nicht erkennt, wo ein verträgliches Limit der Belastung liegt, müssen Ihre Geduld und Gutmütigkeit Grenzen haben.

Wenn Ihr Chef Sie also demnächst wieder mit einer Sonderaufgabe beglücken will, zeigen Sie zunächst Verständnis für seine Situation. Aber beschreiben Sie auch Ihre Lage. Und sagen freundlich, aber bestimmt ab, wenn Sie zu Recht auf ein bereits dichtes Programm verweisen können. Oder reichen Sie ihm rhetorisch die Hand für einen Kompromiss, nach dem Motto: „Jetzt nicht. Aber nächste Woche gerne.“

Wie Sie Ihren Willen bekommen
Chefs lieben es, zu entscheiden und Macht auszuüben. Egal, wie gut die Vorschläge der Mitarbeiter auch sein mögen, viele Manager lehnen sie erst mal ab. Ärgerlich, aber nicht ausweglos.

Tipp: Nennen Sie ihm zunächst Ihren Favoriten – der es in Wahrheit aber gar nicht ist. Ihre eigentlich erste Wahl präsentieren Sie danach als vermeintliche Alternative. Die Strategie mag Ihnen riskant vorkommen, doch Studien zeigen: Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass Ihr Chef sich für die Alternative entscheidet. Dann glaubt er, selbst entschieden zu haben – und Sie genießen trotzdem den heimlichen Sieg.

So verhandeln Sie richtig
Sie beschweren sich nicht wegen jeder Überstunde, erreichen regelmäßig Ihre Zielvorgaben, übernehmen Zusatzaufgaben und erfreuen Ihren Chef regelmäßig durch gute Ideen: Wer gut arbeitet, so denken Sie, soll auch gut verdienen. Und fragen nach einer Gehaltserhöhung.

Obwohl Sie davon überzeugt sind, jede Menge einleuchtender Argumente zu haben, lehnt Ihr Chef Ihre Bitten und Forderungen ab? Selbst wenn es bei Ihnen so ankommen könnte: Das geschieht häufig gar nicht aus bösem Willen – sondern weil Sie schlecht verhandeln und Ihr Anliegen ungeschickt formulieren.

Sätze, die mit „Ich will“ oder „Ich hätte gerne“ beginnen, sollten Sie dabei vermeiden. Sie stoßen zwangsläufig auf Ablehnung. Besser: Zeigen Sie ihm, welche Vorteile er von Ihnen hat. Erklären Sie ihm, wo er Geld sparen kann. Finden Sie neue Einnahmequellen. Schildern Sie noch einmal Ihre Leistungen der vergangenen Monate.

Dadurch verringern Sie seine innere Blockadehaltung – und erhöhen die Chance, Ihren Willen zu bekommen. Bereiten Sie sich aber trotzdem darauf vor, dass er stur bleibt. Für den Fall sollten Sie sich Alternativen überlegen. Vielleicht kann er Ihnen eine Weiterbildung oder mehr Urlaubstage einräumen.

So fallen Sie positiv auf
Der Grat zwischen Selbstmarketing und Selbstbeweihräucherung ist äußerst schmal. Ständiges Prahlen stößt ab, bescheidene Menschen sind sympathischer. Doch wahr ist auch: Erfolgreicher sind die anderen. Jene, die nicht vor Eigen-PR zurückschrecken. Wer nichts sagt, der nicht gewinnt.

Wer beim Vorgesetzten Respekt genießt, hat deutlich größere Chancen, ein Anliegen durchzubringen. Doch der ist häufig viel zu beschäftigt, um all Ihre Großtaten mitzubekommen. Umso wichtiger ist es, dass Sie ihn selbst darauf hinweisen.

Natürlich sollen Sie nicht penetrant prahlen. Doch Eigenlob stinkt nicht per se. Berichten Sie Ihrem Chef regelmäßig von Ihren Fortschritten, beteiligen Sie sich in Meetings - aber nur mit wirklich substanziellen Ideen.

Übernehmen Sie Projekte, die bislang niemand anpacken wollte, auf die Ihr Chef aber viel Wert legt. Aber bleiben Sie bei allem Tatendrang verbindlich. Wenn Sie ankündigen, sich um etwas zu kümmern, dann halten Sie sich dran. Sonst verlieren Sie schnell Ihre Glaubwürdigkeit.

Wie Sie Ihren Chef um Rat bitten
Ob Sie nun Hilfe bei einem Kundenprojekt brauchen oder Tipps für die persönliche Weiterentwicklung: In beiden Situationen empfiehlt es sich, seinen Chef um Rat zu fragen.

Das ist einerseits eine klassische Unterwerfungsgeste – gleichzeitig aber die subtilste Form des Lobes. Denn jeder Vorgesetzte fühlt sich geschmeichelt, wenn er darum gebeten wird, seinen Wissensschatz auszubreiten. Das Signal: Er ist der Meister, Sie sind der Schüler.

Danken nicht vergessen
Natürlich darf das Dankeschön weder plump noch unglaubwürdig sein. Sie sollen Ihrem Chef auch nicht das Mittagessen ausgeben oder die Koffer hinterhertragen. Vielmehr sind es die kleinen Gesten, die Großes bewirken. Ein kurzes Dankeschön per E-Mail, egal, ob für die offene Unternehmenskultur, die Zusammenarbeit in einem Projekt oder die eigene Weiterentwicklung, reicht oft schon aus.

Fazit
Zu den Erfolgstiteln des deutschen Karriereautors Martin Wehrle gehört „Das Chefhasserbuch“. Und unter dem Pseudonym Katharina Münk berichtete eine Vorstandssekretärin über ihren Vorgesetzten. Der Titel: „Und morgen bringe ich ihn um“.

Nimmt man Verkaufszahlen von Sachbüchern als Indiz, war das Verhältnis von Chefs und Mitarbeitern nie so schlecht.

Es ist normal, sich in Kantinen und Kaffeeküchen über den eigenen Vorgesetzten zu mokieren. Der Chef dient als Projektionsfläche für Frust und Missgunst. Angeblich lästert jeder Deutsche im Schnitt vier Stunden pro Woche über seinen Chef.

Druck und Ärger abzulassen kann kurzfristig helfen. Für das Erreichen der eigenen Ziele ist es jedoch sinnvoller, sich zunächst einmal in die Rolle des Vorgesetzten hineinzudenken.

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