Mitarbeiterbindung 3.0

von Bernd Schuster

In vielen Unternehmen werden die unterschiedlichsten Ansätze zur Mitarbeiterbindung verfolgt, oftmals mit großem Aufwand und recht fantasievoll. Prämien, Boni oder teure Incentives motivieren Mitarbeiter allerdings nur bedingt. Vor allem junge Leute legen zunehmend Wert darauf, dass ihr Arbeitgeber nachhaltig handelt und eine flexible Lebensgestaltung ermöglicht.

Geld allein macht nicht glücklich
Diese banale Erkenntnis scheint sich noch längst nicht bei allen Arbeitgebern herumgesprochen zu haben. Die meisten Firmen setzen weiterhin vornehmlich auf Boni und Sachprämien oder auf Gruppenevents, um die Motivation ihrer Mitarbeiter hochzuhalten.

Dabei fragen Talente in Bewerbergesprächen vermehrt nach Benefits, die in der Vergangenheit bestenfalls ein Schmunzeln hervorgerufen hätten. "Mit welchem Fitnessstudio kooperiert Ihr Unternehmen denn?", „Welches Smartphone stellt mir Ihr Unternehmen zur Verfügung?“ oder „Bekomme ich eine „Bahncard-100“ zur Verfügung gestellt?“ bringen altgediente Personaler und Führungskräfte schon mal ins Schwitzen.

Talente sind heute extrem anspruchsvoll und haben hohe Erwartungen an ihren Arbeitgeber. Die Kandidaten achten verstärkt auf das Image eines Arbeitgebers und auf flexible Arbeitsmodelle. Es geht beileibe nicht nur ums Geld.

Falsche Anreize durch Boni
Etwa jeden achten Euro zahlen Unternehmen als leistungsbezogene Prämie aus. Das ergibt eine repräsentative Analyse von 305 Betrieben am Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit.

Erhebliche Unterschiede beobachten die Forscher bei der Art der Boni. Mehr als die Hälfte der Betriebe stellt sie einzelnen Mitarbeitern in Aussicht. Die übrigen Firmen lassen Extras springen, wenn der gesamte Betrieb erfolgreich ist oder - und das ist nur in knapp jedem fünften Unternehmen der Fall - wenn Teams bestimmte Ziele erreichen.

Individuelle und variable Leistungsprämien sind auch unter Tarifbeschäftigten immer verbreiteter. Das Problem: Eine objektive Bewertung ist nur selten möglich. Die wenigsten Führungskräfte sind in der Lage, differenziert zu urteilen. Die Folge: Solche Incentives wirken schnell demotivierend. Denn wer keine Prämie bekommt, ist frustriert und schiebt womöglich Dienst nach Vorschrift.

Nette Gesten und nicht durchdachte Anreize
Tatsache ist: Die Aufmerksamkeit und Anerkennung vieler Chefs fokussiert sich ausschließlich auf überragende Leistungsträger - ein kurzsichtiger Blick. Gerade in Zeiten organisatorischer Umbrüche bringt es wenig, vornehmlich Top-Leister mit finanziellen Anreizen zu überschütten.

Arbeitgeber übersehen dabei oft, wie bedeutsam gerade die "Normal-Leister" für den Erfolg des Unternehmens sind. Doch welche Anreize sind überhaupt sinnvoll? Psychologen wissen: Motivation muss von innen heraus kommen. Äußere Anreize zeigen nur begrenzte Wirkung oder schaden sogar.
Boni, Präsentkörbe oder Gutscheine sind wie Reisen oder Feste für viele Mitarbeiter nichts Besonderes mehr. Was als nette Geste gemeint ist, haut dauerhaft niemanden vom Hocker. Firmen verschwenden viel Geld für nicht durchdachte Anreize, die unterhalb der Wahrnehmungsschwelle bleiben.

Spenden statt Statussymbole
Die Firmenkultur hat einen viel stärkeren Einfluss auf Engagement und Loyalität der Beschäftigten als Geld oder kostspielige Anreize. Vor allem bei der jungen Generation stoßen die üblichen Incentives an Grenzen.

Statussymbole wie dicke Dienstwagen ziehen nicht mehr - und sind zum Teil sogar verpönt. Der Nachwuchs stellt hohe Ansprüche, was soziale Verantwortung und Nachhaltigkeit angeht.

Viele Firmen passen sich dem neuen Wertekanon an - und polieren ihr Image auf. Der Mineralölkonzern BP etwa legt auf jeden Euro, den ein Mitarbeiter privat spendet, einen Euro drauf - bis zu 3.650€ pro Person im Jahr. Für jede Stunde, die ein Beschäftigter gemeinnützig arbeitet, überweist BP außerdem 7,30€ an die Hilfsorganisation.

Seit dem Start des Programms "Matching Fund" im Jahr 2004 hat der Konzern so rund 4,3 Millionen € ausgegeben. Noch wichtiger ist Beschäftigten die Balance zwischen Beruf und Freizeit. Motivationsfördernd ist, was eine selbstbestimmte Lebensgestaltung ermöglicht.

Theorie und Praxis
Flexible Arbeitszeiten, Arbeitszeitkonten für längere Auszeiten oder private Weiterbildung stehen hoch im Kurs. Auch Telearbeit, individuelle Teilzeit und Hilfe bei der Kinder-, Kranken- und Altenbetreuung motiviert Mitarbeiter und bindet sie an die Firma.

Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist einer Studie von Roland Berger zufolge für 92 Prozent der Arbeitnehmer mit Kindern und selbst für 65 Prozent der Kinderlosen genauso wichtig wie das Gehalt - oder gar wichtiger.

Die Freiheit, das Berufs- und Privatleben individuell zu gestalten, wird in Zukunft motivieren - und damit ein entscheidender Wettbewerbsfaktor sein. Die betriebliche Realität ist aber davon oft noch weit entfernt.

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