Innere Kündigung - Trennung ohne Kündigungsfrist

von Bernd Schuster

Nur 15% der deutschen Arbeitnehmer fühlen sich an ihr Unternehmen gebunden und sind bereit, sich freiwillig für dessen Ziele einzusetzen. Das bedeutet umgekehrt: 85% der Beschäftigten stehen nicht hinter ihrem Arbeitgeber, fühlen sich ihm nicht verpflichtet und setzen sich für die Unternehmensziele nur ein, weil sie es müssen.

Das ist das Ergebnis des "Engagement Index 2012" für Deutschland, den das amerikanische Meinungsforschungsinstitut Gallup auf Basis einer repräsentativen, telefonischen Befragung von 2.198 Arbeitnehmern von August bis Dezember 2012 erstellt hat. 2001 rechneten sich nur 15%  der Befragten zu den emotional ungebundenen Mitarbeitern, doch heute liegt dieser Anteil bei 24%.

Verantwortlich sind die unmittelbaren Chefs
Auf die leichte Schulter nehmen, sollten Personalverantwortliche dieses Ergebnis auf keinen Fall. Marco Nink, Strategic Consultant bei Gallup, macht ganz klar eine Gruppe von Hauptschuldigen für dieses bedenkliche Ergebnis aus: die direkten Vorgesetzten.

Insbesondere die zweite Führungsebene erkennt die Relevanz dieses Themas nicht, weil sie eine andere Prioritätenliste im Kopf hat: das Tagesgeschäft, Prozesse optimieren und die erwünschten Zahlen liefern.

Das führt dazu, dass viele Arbeitnehmer hoch motiviert in ein Unternehmen einsteigen, dann aber zunehmend desillusioniert werden. Irgendwann verabschieden sie sich mental aus dem Unternehmen und kündigen innerlich. Der Vorgesetzte ist bei diesem Prozess meist dabei und bemerkt ihn nicht. Dies lässt sich recht einfach zusammenfassen: "Menschen kommen zu Unternehmen und verlassen Vorgesetzte."

Die Ursachen sind immer wieder die gleichen: Aus motivierten Leuten werden Verweigerer, wenn ihre Bedürfnisse und Erwartungen bei der Arbeit über einen längeren Zeitraum ignoriert werden. Man fragt sie nicht nach ihrer Meinung, gibt ihnen weder positives Feedback noch eine konstruktive Rückmeldung zur Arbeitsleistung und interessiert sich nicht für sie als Mensch.

Letztendlich ist das ist der Grund dafür, dass 61% der Mitarbeiter nur noch Dienst nach Vorschrift machen. Sie tun das eben nicht, weil es ihr persönliches Ideal ist oder weil sie zu faul sind, sondern weil sie die Erfahrung gemacht haben: So machen sie sich am beliebtesten bei den Vorgesetzten, bekommen keinen Dämpfer und stören den Betriebsablauf am wenigsten.

Anhängliche Mitarbeiter sind innovativer
Der große Einfluss guter oder schlechter Führung wird, so die Gallup-Studie, deutlich bei der Innovationskultur. Nur 9% derjenigen Mitarbeiter, deren Herz nicht an ihrer Firma hängt, finden, dass ihr Vorgesetzter für neue Ideen und Vorschläge offen ist. Die Erklärung hierfür von Gallup-Berater Nink ist so schlicht wie einleuchtend: "Wer mit seinen Ideen regelmäßig auf taube Ohren stößt, resigniert irgendwann, zieht sich zurück und bringt sich nicht mehr ein."

Nur wenn eine Führungskraft erreichbar ist, sich Zeit nimmt und eine vertrauensvolle Umgebung schafft, können aus Ideen wirkliche Innovationen entstehen. Den Unternehmen sollte die Anhänglichkeit ihrer Mitarbeiter auf keinen Fall egal sein, denn ihnen entgeht sonst wertvolles Innovationspotenzial: Anhängliche Mitarbeiter machen im Schnitt 45% mehr Verbesserungsvorschläge als frustrierte.

Innovationsvorschläge von emotional hoch verbundenen Mitarbeitern bewirken in 89% der Fälle Einsparungen, mehr Umsatz oder höhere Effizienz, so die Gallup-Studie. Aber nur 73% der Vorschläge von Beschäftigten ohne Bindung an die Firma haben einen positiven Effekt.

Dabei geht es bei diesen Innovationsvorschlägen nicht um bahnbrechende Innovationen. Entscheidend sind die vielen vermeintlich kleinen Ideen der Beschäftigten zur Optimierung von Arbeitsabläufen und Prozessen.

Gallup macht eine besonders vernachlässigte Gruppe aus: die Mitarbeiter im Alter von 50plusminus. Die verschwinden zunehmend vom Aufmerksamkeits-Radar und sind die vergessene Generation am Arbeitsplatz. Viele Unternehmen geben sich große Mühe, die Generation Y zu verstehen – aber keiner schaut auf die Mitarbeiter, die um die 50 sind und noch 20 Jahre arbeiten sollen. Aber um unfreiwillige Verluste zu verhindern, müssen sich Unternehmen dringend um mehr Mitarbeiterbindung kümmern – über alle Beschäftigtengruppen.

Hohe Kündigungsrate verdirbt Betriebsklima 
Der Aussage "Ich will heute in einem Jahr noch bei meiner derzeitigen Firma sein", stimmten von den emotional ungebundenen Mitarbeitern nur 58% zu, von den anhänglichen dagegen 93%. Und das Unangenehme für die Firmen sind bei diesen Abgängen nicht nur die Kosten und Mühen für die Suche nach neuen Mitarbeitern und deren Einarbeitung, Know-how-Verlust und Kundenabwanderung.

Ist die Kündigungsrate hoch, wirkt sich das auch negativ auf die Stimmung und die Motivation der verbleibenden Mitarbeiter aus.

Ein Sommerfest oder ein Weihnachtsbaum im Foyer mögen zwar gut gemeint sein, aber sie machen eine schlechte Behandlung über das ganze Jahr nicht wett. Mitarbeiter erspüren sofort, was eine reine Schaufenstermaßnahme und was ehrliches Bemühen um den Einzelnen ist.

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