Der vielleicht beste Arbeitgeber der Welt
von Bernd Schuster
Nicht Google oder Apple – der Softwarekonzern SAS Institute gilt seit Jahren als bester Arbeitgeber der USA.
Das Vermögen des Gründers und Chefs des SAS Institute Jim Goodnight wird derzeit auf sieben Milliarden Dollar geschätzt. Gemacht hat es der ehemalige Professor der Universität von North Carolina wie viele: mit Software. Seine ist in der Lage, geschäftliche Trends in den riesigen Datenmengen von Kunden wie der Deutschen Telekom, Allianz, BMW oder BASF zu identifizieren. Aber ausgerechnet durch die Freizügigkeit des Gründers spart das Unternehmenbis zu 200 Millionen Dollar im Jahr.
Außergewöhnliche Unternehmenskultur
„Meine Mitarbeiter sind mein wichtiges Gut“, sagt Goodnight. „Ich muss dafür sorgen, dass sie, wenn sie abends unseren Campus verlassen, am nächsten Morgen auch wiederkommen wollen.“ Was wie das typische Marketinggeschwätz eines zweitklassigen Personalmanagers anmutet, ist hier tatsächlich gelebte Kultur.
Subventioniertes Essen, Fitnessclub, Massagen, Frisör und Kinderbetreuung – wofür eigentlich der Google-Campus im Silicon Valley weltweit bekannt ist – hat seinen Ursprung in Wahrheit bei SAS Institute. Tatsächlich ließen sich die Suchmaschinen-Gründer Sergey Brin und Larry Page seinerzeit von Goodnight und seiner Unternehmenskultur inspirieren.
Aber während Google seine Mitarbeitervergünstigungen in der Wirtschaftskrise von 2008 zurückfahren musste und die Ausgaben für die generöse Mitarbeiterbespaßung regelmäßig von kritischen Analysten unter die Nase gerieben bekam, brauchte sich Goodnight um solche Nörgeleien nicht zu scheren: SAS Institute, 1976 von Goodnight und drei Geschäftsfreunden gegründet, ist das mit Abstand größte Softwareunternehmen der Welt in Privatbesitz.
Er selbst kontrolliert inzwischen zwei Drittel des Unternehmens. Sein Mitgründer John Sall den Rest, die anderen beiden wurden von dem Duo inzwischen ausgezahlt. Damit ist der Softwaremogul der Wall Street keinerlei Rechenschaft schuldig. Und das soll auch so bleiben.
Was ist anders?
SAS Institute bietet zwar durchschnittliche Gehälter, dafür aber gleich eine Reihe von Sonderleistungen.
Das Hauptquartier hat Goodnight großzügig angelegt. Schon um Raum für zusätzliche Gebäude zu haben. Von Cubicles, den im Silicon Valley üblichen kastenähnlichen Zellen in Großraumbüros, hält Goodnight überhaupt nichts. Jeder seiner rund 4200 Mitarbeiter auf dem Campus hat sein eigenes Büro. Und für die Ästhetik hat der Patriarch eigens Künstler angeheuert, die das weitläufige Gelände mit Skulpturen verschönern.
Neben den Bürogebäuden mit hellen Kantinen und Pausenräumen sind Volley-und Fußballfelder angelegt, nebst Jogging-Trails, Swimmingpool, Schönheitsfarm, Kindergarten und Vorschule.
Der Campus verfügt sogar über eine eigene Klinik, die Mitarbeiter und ihre Familien kostenlos behandelt. Work-Life-Balance-Experten beraten wiederum bei Familien- und Lebenskrisen. Im Grunde fehlen nur noch ein Supermarkt, eine Tankstelle und eine Kirche – dann würde der Campus auch als eigene Stadt durchgehen.
Für manche ist das allerdings fast schon wieder zu viel des Guten. Das ganze Gelände wirkt auf sie merkwürdig, fast sektenhaft: eine selbst betriebene Klinik, die sich um die Gesundheit der Mitarbeiter kümmert? Mitarbeiter, die Mitarbeiter bei Lebenskrisen beraten? Noch dazu in einem Konzern, der sein Geld mit dem Auswerten von Daten verdient?
All die Annehmlichkeiten kosten natürlich auch eine Stange Geld. Allein die Klinik hat ein Jahresbudget von 4,5 Millionen Dollar. Über das Gesamtbudget der Mitarbeitervergünstigungen schweigt sich Goodnight aus. Von Verschwendung hält der Firmenchef allerdings nichts. Das Essen sei – im Gegensatz zu Google – nur bezuschusst, aber eben nicht gratis. Selbiges gelte für die Massagen und die Kindergartenbetreuung. „Ich bin Unternehmer“, sagt der Ex-Statistiker. „Wir sparen durch unsere Vergünstigungen schlicht Geld. Sehr viel Geld sogar.“
Dann rechnet der Zahlenmensch vor: Alles sei stets aus praktischen Erwägungen entstanden. Zum Beispiel der vor 30 Jahren gegründete Montessori-Kindergarten auf dem Gelände. Damals hatte der Gründer Sorge, seine Mitarbeiterinnen würden nach der Geburt ihrer Kinder nicht mehr an den Arbeitsplatz zurückkehren. Dank Kindergarten seien die Babypausen kurz geworden und die Produktivität der weiblichen Belegschaft hoch.
Keine Sorge um Talente
Sehr bemerkenswert: Jährlich verlassen nur etwa zwei Prozent der SAS-Mitarbeiter das Unternehmen. In der Softwarebranche sind sonst 15 bis 20 Prozent üblich. Allein dadurch spart SAS immense Kosten für das Anwerben neuer Mitarbeiter und deren Ausbildung auf einem ohnehin hart umkämpften Talente-Markt.
Der Stanford-Professor Jeffrey Pfeffer, der das SAS Institute einmal genauer untersuchte, bezifferte die Einsparungen seinerzeit auf rund 100 Millionen Dollar. Die Studie liegt allerdings schon über zehn Jahre zurück. Damals lag der Umsatz noch bei rund 800 Millionen Dollar. Heute taxiert Personalchefin Jennifer Mann den Finanzvorteil eher auf 200 Millionen Dollar, rund neun Prozent des Umsatzes.
Hinzu kommt das Prädikat des seit Jahren besten Arbeitgebers. Ein unbezahlbares Plus zum Werben neuer Talente in einem ohnehin hart umkämpften Markt und überdies ein echter Bonus für die Öffentlichkeitsarbeit.
Doch die Firmenkultur hat auch ihre Schattenseiten. Zwar gibt es für die Mitarbeiter Gewinnbeteiligungen, doch Aktienoptionen kann SAS als Privatunternehmen nicht bieten. Aktienmillionäre, wie sie andere IT-Unternehmen im Silicon Valley hervorgebracht haben, sucht man hier vergeblich.
Und ein weiteres Problem – so widersprüchlich es sich auch anhört – ist, dass kaum ein Mitarbeiter das Unternehmen je wieder verlässt. Die Mehrzahl der Belegschaft ist seit mehr als zehn Jahren dabei. Vakante Stellen haben hier ähnlichen Seltenheitswert wie ein Suchbegriff, den Google noch nicht verschlagwortet hat.
Der Altersdurchschnitt der Beschäftigten ist dadurch in den vergangenen Jahren auf 45 Jahre angestiegen. Allein der Unternehmenschef ist mittlerweile 68 Jahre alt. Und keiner weiß genau, was nach ihm kommt.